Vergessene Denkmäler heimatloser Helden


Pawel Pencakowski


   Eines der Überbleibsel des l. Weltkrieges in Kleinpolen sind Kriegsfriedhöfe, die auf Bergen und in Tälern, in Waldern und auf Feldern, in Dörfern und Stadtchen dieses Landes verstreut sind. Jeder, der in den Klein-beskiden, auf den Wegen des Vorkarpatenlandes, in den Tälern von Raba, Dunajec und Ropa wandert. Pfarrfriedhöfe in den Orten bei Brzesko, Limanowa, Gorlice und weiter nach Osten hin, bis nach Przemysl oder Lemberg besucht, kann sie selbst oder ihre Spuren finden. Vernichtet oder zumindest verlassen, mitJungem Wald oder hohem Gras bewachsen, faszinieren sie durch ihre Geheimnisse, die an die dramatischen Ereignisse und die gesamte Epoche erinnern, derer wenige lebenden Zeugen heutzutage fast 100 Jahre alt werden.


   Eine blutige Kriegswalze rollte über Galizien in den Jahren 1914-1915 hinweg. Die Offensive der russischen Armee, die zur Besetzung von 6/7 des Territoriums der Provinz führte, wurde bei Krakau im November 1914 aufgehalten. Erst nach 6 Monaten sollte sich das Glücksrad zugunsten der österreichischen Seite weiter drehen. Währenddessen dauerten aber die Kämpfe an und Jede der Seiten wollte ihre Lage verbessern; bis zum März 1915 setzte sich die Festung Przemysl gegen die Zararmee zur Wehr. Die Armeen der Zentrallander konnten Galizien im Rahmen der Operation Gorlice, die im Mai 1915 anfing, wieder zurückgewinnen. Der kleinpolnische Boden wurde mit neuen Gräbern bedeckt. Die voranmarschierenden Truppen fanden überall provisorische Friedhöfe und Gräber nach den Schlachten des vorherigen Jahres. Selbst in Westgalizien lagen in ihnen 60.000 Soldaten. Die laufenden Tätigkeiten wurden durch rein administrative (Evidenz) und praktische (sanitäre) Faktoren bestimmt. Es war also eine technische, enthumanisierte Behandlung der Gefallenen. Dieser Zustand war für die Bevölkerung der europäischen Länder und die Regierungen der kampfenden Staaten nicht akzeptabel. Sie bekundeten ein lebhaftes interesse an der gesamten Sache. Es war das Erbe der "Zeit des Lichtes und Gehirns" und der nacheinander-folgenden Entwicklungsetappen der westeuropäischen Kultur. Diese Evolution, die über ein Jahrhundert dauerte, ist von wesentlicher Bedeutung für das Verständnis und eine vollständige Interpretation des Phänomens der galizischen Kriegsfriedhöfe.


   Die Aufklärung - die Zeit der grundsatzlichen Werteänderungen in der Kultur des Abendlandes -änderte das Verhältnis des Menschen und der Gesellschaft zum Tod, zum Abschied mit den Nächsten, zum Grab, zur Bestattung, zum Friedhof und zu einer moralischen und künstlerischen Komponente dieser Fragen. Die Fürsorge für das Grab übernehmen von der Kirche die Familie und die Gesellschaft. Die Friedhöfe werden über die bebauten Gebiete hinaus geleitet und sie verlieren ihren direkten Zusammenhang mit dem Pfarrtempel. Die Natur, die als eine Manifestation Gottes und als sein Werk verstanden wird, wird zu einem Sacrum-Raum, der die Aschen auf ewig empfangen kann. Im 19. Jahrhundert war der neue Typ europäischen Friedhofes eine wirkliche Gedenkstätte, ein Raum, in dem sich der private und gesellschaftliche Kult für Verstorbene realisierte. Ihre Gräber - von den Nächsten besucht -werden mit Denkmälern geschmückt, wie sie nur für Heilige und Große dieser Welt, und heute für alle erreichber wurden, die es sich nach den Grundsätzen der Demokratie leisten konnten. Die städtische Nekropole, ästhetisch und rationell entworfen und dekoriert, wird im Laufe der Zeit eine öffentliche Statte (welche in dieser Bedeutung der ehemalige Kirchfriedhof nicht war). Sie ist seit dieser Zeit "eine der fundamentalen Einrichtungen der Gesellschaft und bringt ihre Vergangenheit zum Ausdruck". Sie wird ebenso besucht, wie Landesausstellungen, Nationalgedenkstätten oder Kunstsalons. Der Friedhof des 19. Jahrhunderts ist auch Gegenstand literarischer, historiophysischer und religiöser Reflexion, Objekt wissenschaftlicher Beschreibung und der Reiseführerliteratur.


   Man kann sagen, daß ohne den Friedhof, ohne das Grabmal für Jeden Menschen oder für jede Familie in Europa des 19. Jahrhunderts der Verstorbenenritus undenkbar war, und ohne dieses Ritual konnte man sich eine zivilisierte Gesellschaft nicht vorstellen.


   Vor dem Hintergrund einer ehrfurchtsvollen Einstellung gegenüber der menschlichen sterblichen Hülle, dem Grabmal, dem Denkmal, dem Friedhofgegenüber zeichnet sich das Problem der gefallenen Soldaten und der Kriegsfriedhöfe ab. Die Aufklärungszeit und die Befreiungskriege brachten auch in diesem Bereich bestimmte Umbewertungen mit, wie zum Beispiel in Form von einer symbolischen Verehrung des unbekannten Soldaten, der für das Vaterland gefallen war. In den Städten von Frankreich. Deutschland oder Österreich baute man Denkmäler, Kapellen und Ossarien wurden dann auf den großen Schlachtfeldern errichtet. Doch weder die Kriege zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch die spateren von 1848, 1866, 1867, 1870-71, bewirkten einen Umbruch. Auf den Schlachtfeldern wuchsen die riesigen Sammelgräber, in denen die Gefallenen begraben worden waren, und falls es notwendig war, wurden sie wieder aufgewühlt, um die oberflächlich begrabenen Gebeine auszubrennen (so war es bei Sedan nach 1871).


   Eine neue Einstellung den Gefallenen und ihren Grabern gegenüber erschien zum ersten Mal in den Vereinigten Staaten nach dem Seziessionskrieg. Von 1865 an wurden hier große Nekropolen angelegt, mit dem Friedhof in Arlington an der Spitze, und zum ersten Mal in der Weltgeschichte wurden Massenexhumationen und Leichenversetzungen durchgeführt. In Europa war es noch lange Jahre anders.


   Eine wesentliche Änderung brachte hier erst der große Krieg von 1914-1918 mit sich. Es war ein Krieg neuen Typs. Er wurde nicht von spezialisierten Berufsarmeen (wie es bisher war), sondern von gesamten Völkern geführt, und sein Ziel war u. a. der demographische Zusammenbruch des Gegners. Die Entwicklung des Eisenbahnnetzes trug dazu bei, daß überall fast alle Menschen, die nur imstande waren, Waffen zu tragen, in direkten Schlachten eingesetzt werden konnten. Die Menschenopferwaren gewaltig. Auch im Hinterland wurde der Krieg zu einer ganz öffentlichen Sache. Zeitungen, beurlaubte Soldaten, evakuierte Verletzte und Zivilisten berichteten darüber. In diesem Zusammenhang tauchte auch in Europa die Frage nach einer solchen Behandlung der Gefallenen auf, die den in diesem Punkt sehr sensiblen, kriegsführenden Gesellschaften entsprach. Die Sache der Gräber und der Kriegsfriedhöfe kam stets in den Zeitungen und Zeitschriften auf dem Gebiet der Architektur, des Bauwesens zum Vorschein, sie war auch in getrennten Veröffentlichungen behandelt. In den Texten zu diesem Thema kann man engagierte Versuche finden, ethische, ästhetische und künstlerische Fragen, die mit dem Bau und Dekoration der Kriegsfriedhöfe verbunden waren, ausführlich zu behandeln. In den Aussagen deutscher Wissenschaftler läßt sich eine Faszination über die edle Einfachheit der Gräber und die Erhabenheit der Friedhöfe mit der Natur im Hintergrund (mit der Genese von Kant oder aufjeden Fall von der Aufklärung) sowie eine Widerspiegelung der idealistischen Ästhetik des 19. Jahrhunderts finden. Ein ständiger Mangel von Mitteln für diese Zwecke (während eines dauernden Krieges ganz verständlich) verursachte, daß man manchmal auf ein entferntes - vielleicht sogar bewußtes - Echo der mittelalterlichen Ästhetik neccesitatis treffen kann (z. B. Erinnert die von dem stolzen Kaiser Wilhelm II. formulierte Aufforderung zur Bescheidenheit und Sparsamkeit in diesem Bereich daran, was vor Jahrhunderten hg. Bernard von Clairvaux schrieb).


   1915 wurde den Behörden der kampfenden Länder der ethische und politische Rang dieses Problems bewußt. Man sah ein, daß die Zerstreuung der Kräfte: Stürmigkeit, Verwirrung, Streit über die Kompetenzen der Lokalgesellschaften, Konfessionsvereine, diversen Komitees und Privatpersonen, ungünstig ist. Die Arbeiten, die mit dem Begraben und Verewigen der Gefallenen verbunden waren, sollten also durch den Staat ausgeführt werden, da er über entsprechende Möglichkeiten und Mittel verfügte. Die deutsche und österreichisch-ungarische Monarchie und die Republik Frankreich übernahmen also die Rolle der Familie, indem sie das Grab für den Gefallenen vorbereiteten, sowie eine ewige Funktion der Lokalgesellschaft, indem sie Friedhöfe bauten und ihnen eine ewige Fürsorge sicherten. Darüber hinaus wurden erste Voraussetzungen getroffen, die den damaligen Vorstellungen über die Kultur, der Verehrung der Verstorbenen, der Verewigung der Erinnerung an sie und den Formen des Verstorbenenkultes entsprachen. Jede Leiche mußte begraben und vorher-je nach Möglichkeit- identifiziert werden. Jeder Gefallene war wie ein Held zu betrachten, er hatte also ein Recht auf ein Denkmal und ewiges Gedenken, ohne daß zwischen den Soldaten der eigenen, alliierten oder Gegnerarmee unterschieden wurde. Die Kriegsfriedhöfe sollten die Dankbarkeit verkünden, die die Völker den gefallenen Beschützern schuldig waren, sowie die Achtung fürjedes Opfer der Krieges, fürjeden, der seinem Eid treu gefallen war. Die gesamte Tätigkeit auf diesem Feld sollte eine kulturell-schöpferische und künstlerische Rolle haben: "(...) es handelt sich hier nicht nur um einen Ausdruck der Dankbarkeit für die Helden (...), sondern um ein Kulturwerk von höchster Bedeutung, dessen Realisationsweise noch den kommenden Generationen als Maß für die Beurteilung unserer moralischen und künstlerischen Empfindsamkeit dienen wird", stellte die ad hoc-ernannte Ministeriumskommission nach der Besichtigung der Ausstellung der Kriegsgräber im Krakauer Kunstpavillion fest.


   1915 fing die ganze Sache an durchgeführt zu werden, auch in Österreich-Ungarn. Es geschah gleichzeitig mit dem Zurückdrängen des Gegners aus dem bedeutenden Teil Gali-ziens, das noch im Herbst besetzt war und mit der Stabilisierung der Front in Wolynien und Podolien.


   Am 3. November 1915 wurde durch das Wiener Kriegsministerium die Kriegsgraberabteilung mit der Nummer 9 mit weitgehenden Befugnissen geschaffen. Gleichzeitig entstanden Landesabteilungen, die mit den Kommandos der einzelnen Armeekorps verbunden waren. Die Aufgabe der Kriegsgräberabteilung und ihrer Filialen war die Evidenz der Gefallenen, Exhumation und Koma-sierung der Leichen an bestimmten Stellen, sowie auch Entwürfe, Bau und Dekoration der Kriegsfriedhöfe. Diese Aufgaben wurden überall dort durchgeführt, wo österreichische Armeen kämpften: in Serbien, italienischen Dolomiten, Ostkarpaten, an der Piave, in Wolynien und natürlich fast in ganz Galizien, das für uns besonders interessant ist.


   Besonders zahlreiche und eindrucksvolle Kriegsfriedhöfe sind auf dem Gebiet des ehemaligen West-galiziens (von Krakau bis zur Wistok-Linie) und in der Festung Przemysl (Mittelgalizien) erhalten geblieben. In Westgalizien wurden sie durch die dortige K. u. K. Kriegsgräberabteilung des Militärkommandos Krakau gebaut; in Przemysl war es eine Initiative des Festungs kommandos. Auf den weiten Gebieten Mittel- und Ost-galiziens (und überall dort, wo die Kaisersoldaten starben) wurden ebenfalls Friedhöfe gebaut: man entwarf ihre Anlagen, die Gebeine der Gefallenen wurden überführt, aber nirgendwo (ausgenommen Przemysl) gelang es eigentlich, eine monumentale architektonische Umgebung zu realisieren. Holzkreuze, Kapellen und Zaune verschwanden im Laufe der Zeit. Heutzutage haben wir darüber nur durch Fotos, Bildern und Skizzen Kenntnis.


   Die Krakauer Abteilung verfügte über Militär-(darunter Kriegsgefangene) und Zivilkräfte, die Anzahl der beschäftigten Menschen lag über 3.000. Unter ihnen waren Steinhauer (meistens Italiener) und Zimmerer (meistens Russen), verschiedene Handwerker, Gärtner und besonders sorgfaltig gewählte Projektanten: Architekten, Bildhauer, sowie Maler, Zeichner und Fotografen als künstlerisches Hilfspersonal. Erwähnenswert sind sicherlich die Architekten und Bildhauer: Dusan Jurkovic (Slowake), Gustav Ludwig, Emil Ladewig, Franz Stark, Robert Motka, Hans Mayr, Gustav Rossmann, Johann Jäger, Heinrich Scholz, Franz Mazura, Johann Watzal (Österreicher), Jan Szczepkowski (Pole). Unter den Vertretern anderer Kunstbereiche können beispielsweise polnische Maler: Wojciech Kossak, Henryk Uziemb³o, Alfons Karpinski, österreichische Maler: Franz Poledne, Reinhold Völkel, Leo Perlberger und ein tschechischer Grafiker, Adolf Kaspar, genannt werden. In der Festung Przemysl war der ungarische Architekt Ferenc Szäbolcs Projektant, Bildhauer war Jözef Wilk und Maler Wendel Schwarz.


   Alle oben erwähnten Personen waren Angehörige des Habsburger Staates, für die Zeit des Krieges mobilisiert, von der ersten Kampflinie zurückgerufen, oft Kriegsinvaliden. Architekten und Maler übten die Funktion der Leiter der künstlerischen Regionen aus. Es waren 10 Regionen, in jeder von über zehn bis mehreren Zehnten Nekropolen. Die künstlerischen Leiter, die sich einer recht großen künstlerischen Freiheit erfreuten, verliehen den ihnen unterstellten Regionen ihre eigene Individualität. Durch solche Voraussetzung sollten Monotonie und Schablonenhaftigkeit vermieden werden.


   An der Spitze der Kriegsgraberabteilung Krakau standen Oberst Rudolf Broch (deutscher Jude aus Mähren) und Hauptmann Hans Hauptmann. Broch, der für den Armeedienst in Galizien sein Architekturstudium an der Technischen Hochschule und Akademie der Bildenden Künste in Wien aufgab, brachte in die Kriegsgräberbaukunst seine Sensibilität gegenüber den Kunstfragen, Baukenntnisse und offensichtliche organisatorische Fähigkeiten mit ein. Hauptmann, Kaufmann vom Beruf, war Schriftsteller und Dichter. Seine Beiträge waren u. a. gedichtete Inschriften auf den Friedhöfen und die Vorbereitung und luxuriöse Veröffentlichung eines monumentalen Werkes Die westgalizischen Heldengräber aus den Jahren des Weltkrieges 1914- 1915 (Wien 1918).


   Man kann sagen, daß sich bei der Arbeit an dem Bau der Gräber für Gefallene Menschen aller Nationen und Religionen, Angehörige der kampfenden Staaten, Soldaten im Dienst und Kriegsgefangene zusammentrafen. Die Geschichte gab ihnen nicht viel Zeit. Die Architekten und Bildhauer erhielten von ihr aber eine einzigartige Chance: drei Jahre lang konnten sie sich dem Entwerfen und Durchführen von einem einzelnen architektonisch-funktionellen Typ widmen.


   Auf diese Art und Weise entwickelten sich in einem provinziellen Teil des Habsburger Kaiserreiches Bedingungen für die Entstehung einer ganzen Reihe "Variationen zum Kriegsfriedhof-Denkmal". Die weiten und landschaftlich unterschiedlichen Gebiete Kleinpolens sollten Umgebung und Hintergrund für eine in ihrer Funktion und ihrem Ausdruck spezifische Architektur sein, die hier sozusagen als Import installiert wurde.


   Die rationell organisierte und energisch verwaltete Kriegsgräberabteilung Krakau schuf ein großes Werk. Innerhalb von drei Jahren, unter den Bedingungen einer durch den Krieg beschränkten Wirtschaft, auf den über einem Gebiet von ca. 10.000 km2 verstreuten Schlachtfeldern, wurden 400 Kriegsfriedhöfe angelegt, auf denen über 60.000 gefallene und verstorbene Soldaten begraben wurden. Ihre Leichen wurden häufig exhumiert und aus mehr oder weniger entfernten Orten transportiert.


   Die Kriegsfriedhöfe wurden als individuell entwickelte Anlagen betrachtet. Sie wurden dort angelegt, wo kampfende Soldaten der österreichischen, ungarischen, deutschen und russischen Armee starben. Die Nekropolen spiegelten also auf diese Art und Weise die Geschichte des Krieges wider. Die Architekten legten einen großen Wert auf ihre Lokalisation in der Landschaft, sie suchten Je nach Möglichkeit nach schön gelegenen und von weitem sichtbaren Stellen. Die Friedhöfe wurden also an den Berghangen und -gipfeln, an Straßen, manchmal auch an den bestehenden Pfarr- oder Stadtfriedhöfen angelegt. Auf diese Weise wollte man die Gefallenen ehren, den im Namen der Gesellschaft gefallenen Beschützern und Befreiern Dankbarkeit ausdrücken und ihre Nächsten, die die Gräber besuchen, zufriedenstellen.


   Unter den Mitarbeitern der Kriegsgräberabteilung herrschte die Überzeugung von einer wesentlichen didaktischen Bedeutung der gesamten Bauaktion der Kriegsfriedhöfe, von ihrem hohen moralischen Rang und einem teilweise religiösen Charakter des Vorhabens. Als Motto übernahmen die Veranstalter der Aktion die Worte aus Exodus: "Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden" (3, 5). Ihre Aussagen strahlen Beeindrückung und persönliches Engagement aus. "Dieser Erkenntnis und diesem tiefinnersten Drang zur Dankbarkeit galt es Ausdruck zu geben, wo wir unseren gefallenen Helden die letzte Heimstatt bereiten. In der Art, wie wir es taten, sollte vor aller Welt überzeugend bekundet werden, daß diese vielen Tausende von Kriegern nicht allein dem engen Kreis ihrer Angehörigen verloren sind, daß sie vielmehr von allen Völkern unter dem Habsburgzepter als ihre geliebte und verehrten Brüder beweint werden! Bis in die spätesten Zeiten hinaus sollen ja auch diese Gräberfelder uns und unseren Nachfahren Statten der Läuterung und der Erhebung sein. Kräfte sollen von ihnen ausstrahlen, die Wankende aufrichten. Irrende zu sich selbst zurückführen und in Stunden neuer Prüfungen die heilige Flamme der Vaterlandsliebe und der Begeisterung für unsere hohen Kulturgüter immer wieder zu lohenden Bränden entfachen...", schrieben 1917 Rudolf Broch und Hans Hauptmann. Ähnlich waren auch die Meinungen der höheren Militärbehörden, der Kaiserhof-, Kultur- und Kunstkreise.


   Der gesamte Bildungsprozeß der Kriegsfriedhöfe befand sich auf einem hohen professionellen Niveau, sowohl im Bereich des Konzepts, als auch dem der Ausführung. Die Hauptrolle spielte die Architektur; Bildhauerei und andere Kunstzweige hatten nach dem Konzept der Architekten eine ergänzende Bedeutung. Im allgemeinen unterschied man zwischen zwei Begriffen:
Grabmal, das auf die Vergangenheit, zum Menschen hin und seinem Vergehen gerichtet war, und Denkmal, das die unsterbliche Idee ausdrückte. Bestimmte Typen und einzelne Motive wurden sorgfaltig gewählt und die räumlichen und architektonischen Formen in Verbindung mit der Natur, der Landschaft und manchmal auch mit der lokalen Bautradition entworfen. Alte Bäume, Kirchen und Kapellen, Pfarrfriedhöfe, Befestigungselemente waren häufig Ausgangspunkt für die Projektanten. In der österreichisch-ungarischen Kriegsgräberbaukunst wurde angenommen, daß die Friedhöfe - besonders diese größeren - in der Umgebung dominieren sollten. Kapellen, Denkmäler, Obelisken und Kreuze sollten mit den Bergen, Tälern, Dorf- und Stadtsilhouetten des Vorbeskidenlandes und der Beskiden konkurrieren.


   Infolgedessen entstanden einige wertvolle großflächige Anlagen sowohl in den Städten, als auch in natürlicher Umgebung: Luzna-Pustki (von Jurkovic und Szczepkowski), Przemysl Zasanie (Szäbolcs und Wilk), Krakau Rakowice (Autor unbekannt), Charzewice (Robert Motka), Staszkowka (Hermann Hosaeus, Architekt aus Berlin).


    Die die Kriegsfriedhöfe entwerfenden Architekten waren unterschiedlich begabt, hatten unterschiedliche ästhetische Vorlieben, Temperament, Ausbildung und Erfahrungen von ihrer beruflichen Tätigkeit in der Vorkriegszeit. Deshalb gehören die Friedhöfe zu verschiedenen Stilmodi und spiegeln die Entwicklung der mitteleuropäischen Architektur am Anfang des 20. Jahrhunderts wider. Von allgemeinen Ideen wird manchmal die der Materialgerechtigkeit realisiert, die in der Architekturtheorie des 19. und 20. Jahrhunderts populär war. Besonders sichtbar sind
Verbindungen mit der Architektur und Kunst Wiens, mit dem dort damals herrschenden staatsbildenden Klassizismus der Postsezessionszeit, der durch die Symmetrie, Einfachheit, Horizontalismus, Ernsthaftigkeit, doch ohne neuklassische oder Palladionsche Ordnungen und Details, gekennzeichnet war. Dies war kein Wunder, da fast alle Architekten und Bildhauer der Kriegsgräberabteilung Krakau in Österreich-Ungarn ausgebildet worden waren. Manche erlernten ihren Beruf in Wien. Gustav Rossmann und Hans Mayr gehörten zu den begabten Schülern des berühmten Otto Wagner. Wiener waren auch Robert Motka, Franz Stark und der Bildhauer Heinrich Schulz. Gustav Ludwig studierte in Brunn und New York, der Ungar Ferenc Szäbolcs in Budapest, München und Paris, der Bildhauer Johann Jäger in Cieplice, Brunn und Prag.


   Repräsentative Beispiele dieses Stilmodus sind: Friedhofskapellen in Przemysl Zasanie (Szäbolcs) und in Sekowa (Mayr), Denkmäler auf den Friedhöfen in Brzesko und Charzewice (Motka), Dawidowka (Anton Müller), Lubcza Szczepanowska (Scholz), Krakau Rakowice (Autor unbekannt), Staszköwka (Hosaeus), Denkmalwände in Osobnica (Jäger), Anlagen in Nowy Sacz (Ludwig und Mazura), Zawadka, Jodtowa und Zassow (Rossmann).


   Der Stil des Klassizismus des 20. Jahrhunderts kommt auch in zahlreichen Arbeiten des Slowaken Dusan Jurkovic, Absolventen der Wiener Kunstgewerbeschule und des Polen Jan Szczepkowski, Absolventen der Fakultät für Skulptur der Krakauer Akademie der Schönen Künste zum Ausdruck.


   In manchen Projekten, vor allem in denen von Jurkovic, sind Einflüsse von volkstümlicher Holzbaukunst sichtbar, die er als Autodidakt für seine eigenen schöpferischen Interessen studierte. Das stimmt mit Tendenzen überein, die in der Architektur verschiedener westeuropäischer Länder (in Polen sind sie vor allem in den Arbeiten von Stanis³aw Witkiewicz zu finden) erscheinen. Seine Anlagen von Holzfriedhöfen sind durch Monumentalismus und Symmetrie gekennzeichnet. Sehr wesentlich ist auch ihr Programm. Was Jurkovic vorschlägt, führt zu einem besonderen slawischen (oder pseudoslawischen) Klassizismus; die Verbindung dieses Stiles mit der volkstümlichen Baukunst der Karpatenregionen erfolgt nur durch Baumaterial, Bearbeitungstechnik und teilweise durch Ornamentierung. Die schönsten Beispiele sind hier Friedhöfe in Regietow Wyzny und Rotunda bei Regietöw, in Gladyszow. Grab und im Gebirgspaß von Malastow.


   In manchen Realisationen oder ihrer Teilen kann man einen am Anfang des 20. Jahrhunderts modischen "landlichen" oder "regionalen" Stil finden, wobei diese Ländlichkeit mehr der Kunst der Länder des deutschen Sprachraumes (Österreich, Deutschland) entstammt, als der des Vorkarpatenlandes. Man kann hier allgemeine Inspirationen durch gotische, vorromanische und romanische Baukunst sowie durch provinzielle Holzarchitektur um die Mitte des 19. Jahrhunderts sehen. Solche Bauten wurden u. a. in Leszczyna (Ludwig), Lakta Gorna (Stark), Dabrowa (Watzal), Ciezkowice (Szczepkowski), Wirchne und Blechnarka (Jurkovic) errichtet. Zu der "ländlichen" Strömung muß man auch solche Konzepte wie Heldenhaine zählen, wo die Natur wichtiger als die monumentale Architektur war. Viele von ihnen entstanden in Mittel- und Ostgalizien. Musterentwürfe solcher Art stellte in einer entsprechenden Broschüre der Architekt der 4. Armee (die in Galizien operierte) Franz X. Ledvina dar. Solch eine "ländliche" Form weisen auch manche provisorischen Dekorationen großer Friedhöfe auf, die 1915 zum Anlaß von Allerheiligen und Allerseelen (z. B. eine Kapelle von Szczepkowski in Lubinka, nach einem Jahr abgerissen), errichtet wurden.


   Der "landliche" Modus ist auch in Entwürfen von Grabmalkreuzen und -zeichen zu finden, für die eiserne oder hölzerne Kreuze mit Blechbogen, so populär in den alten Nekropolen von Salzburg, Tirol und Bayern (von Meyr, Watzal und Jurkovic), die Muster waren.


   In manchen Entwürfen finden wir auch den Eklektismus der Postsezessionszeit, der in der Verbindung von heterogenen, im Bezug auf die Genese, und gleichzeitig vereinfachten und vereinheitlichten in dem gesamten Ausdruck architektonischen Stilen und Motiven besteht. Das Motiv einer Zentralkapelle kann hier von in ihrer Form vereinfachten "gotischen" Kuppel gekrönt werden und ein Bauwerk in Form von Tholos kann aus freistehenden gotischen Stützpfeiler bestehen, die einen gigantischen Lorbeerkranz unterstützen, der als Substitut für Balkenwerk gilt. Ein Werk solcher Art ist das Denkmal auf dem Friedhof in Krempna (Jurkovic). Andere Beispiele für den Eklektismus finden wir in Limanowa-Jabloniec (Ludwig) und in den nicht realisierten Projekten von Robert Motka (Kapelle auf dem Friedhof in Gorlice, Gedenkkapelle an dem Dunajec), oder auch in der "Moslemkapelle" nach einem Entwurf von Rossmann, die für den Zentralfriedhof in Olmütz vorgesehen war.


   In der Gestaltung der Nekropolen sehen wir darüber hinaus eine wesentliche Komponente der Grabmalkunst des 19. und 20. Jahrhunderts, z. B. in Form der Grabmalkreuzen und -zeichen. Man erkenntauch eine Rückkehr zum Biedermeierstil, der vor dem Krieg erneut recht beliebt war. Ein gutes Beispiel dafür sind Friedhöfe in Greboszow und Zabno von Watzal und in Brzostek von Rossmann.


   Man kann eine Vielzahl von architektonischen Motiven beobachten, die seit Jahrhunderten mit der Idee eines Denkmals, Friedhofs und dem irdischen Ruhm verbunden sind. Es gibt also aus dem klassischen und neuklassischen Repertoire entnommenen Säulengänge, Obelisken, Pylone, Altäre unter freiem Himmel [arae}, Tumuli, Pyramiden, schwere Pergolen aus Beton, massive Mauern mit einer Denkmalwand in der Achse. Es erscheinen zentrale Kuppelkapellen, die als geschlossene und als Durchgangskapellen realisiert werden. Das am häufigsten eingesetzte Element ist natürlich das des Denkmalskreuzes, das in unterschiedlicher Form erscheint. Es verbindet sich mit einer Volkstradition (zahlreiche Denkmalskreuze von Meyr), mit großen Kreuzen, die in den Ländern des deutschen Kulturraumes auf großen Schlachtfeldern der Befreiungskriege errichtet wurden, mit dem Eisernen Kreuz, das von Karl Friedrich Schinkel 1813 entworfen wurde. Es gibt schließlich schwere Quaderkreuze, die als Synthese des Germanen-und Christentums interpretiert werden. Es finden sich auch Pseudoarchaismen: "urslawische" Steintürme und ihre Gruppierungen, sowie auch "landliche" Kapellen aus Holz oder Feldstein, mit Schindeldach bedeckt (vor allem von Jurkovic und Szczepkowski).


   Erwähnenswert ist auch die große Anzahl verschiedener Arten von Grabmalkreuzen-und-zeichen, die sich je nach Staatsangehörigkeit und Konfession unterschieden: es gab sie für katholische und evangelische, orthodoxe, Jüdische und schließlich Moslemgräber (Regimente aus Bosnien). Sie wurden in Steinbrüchen, Zimmereien, Tischlerejen, Gießereien und Schmieden als Fertigteile vorgefertigt und je nach Bedürfnissen zusammengebaut.


   Die Vielzahl von Stilen und der Reichtum der Motive spiegelt den Pluralismus wider, durch den die Habsburger Monarchie in den letzten Jahrzehnten ihres Vorhandenseins gekennzeichnet war. Es war ein Staat vieler Nationen, Religionen und Kulturen. Ihre Vertreter kämpften und fielen für ihn Arm in Arm. Die Art der Dekoration ihrer Gräber sollte für sie und ihre Angehörige eine gewisse Genugtuung sein.


   Auf den Friedhöfen gab es auch viele Skulpturen. Es sind Werke von Heinrich Schloz, Franz Mazura, Jözef Wilk. Von den Themen wurden der mit dem Drachen kampfende St. Georg (Scholz in Siemiechow), Panzerritter (Mazura in Nowy Sacz), Nackter Krieger (Scholz in Siedliska), mehrmals Kreuzigung (z. B. Scholz in Tuchöw und Janowice) und das Tragen des Kreuzes (Zak in Luzna-Pustki) dargestellt. Es wiederholen sich Motive von Tropaion, Hoplitenhelm, Drachenkopf, Soldatenmütze. Aufgrund der Voraussetzungen wurden militärische Themen zugunsten der heraldischer Motive (Staats- und Monarchiewappen) beschränkt.


   Die Form der Architektur und der Skulpturen und ihre ideelle Aussage wurden durch bewußt eingesetzte Grünanlagen - verschiede Gattungen von Bäumen und Strauchern - bereichert. In den Waldern wurden auch Schneisen geschlagen, die in die Richtung der Heimat der gefallenen Soldaten zeigten. Architekten fertigten Zeichnungen von Kriegsfriedhöfen mit entwickelten Grünanlagen an und zwar in einem Zustand, der für 1960 vorgesehen war! In der Umgebung von Friedhofsanlagen wurde auch ein System von Wegweisern und Informationsschildern installiert, da für die Nachkriegszeit Massenbesuche der Friedhöfe vorgesehen waren.


   Ein Pendant zu den ideellen Inhalten, die durch die Kunst vermittelt werden, sind die gedichteten Epitaphe von Hans Hauptmann. In Steintafeln geschlagen und in dem Textteil des erwähnten Bildbandes bilden sie eine interessante Sammlung. Sie verbinden allgemeine Voraussetzungen der Bauaktion der Kriegsfriedhöfe von Völkern und Nationen der Monarchie und ihrer Armee mit dem Ausdruck der einzelnen architektonischen Typen, Bauten, Skulpturen. Meistens finden wir hier Erscheinungen, die mit traditionellen Methoden der bildenden Künste nicht erreicht werden können oder solche, die für die Veranstalter des gesamten Vorhabens sehr wichtig waren. Wir können also lesen, daß im Tod der Kampf und Haß enden, daß die Auferstehung für jeden möglich ist-wegen ihrer Treue zum Eid und der Opferbereitschaft. Es ist die Rede von dem Frieden, der dank den Gefallenen möglich ist. Die Gefallenen dagegen drücken (mit Hauptmanns Worten) ihre Freude darüber aus, daß sie ihr Leben für die Sache, für ihre Angehörige und Landsleute opfern konnten. Sie rufen zur Bereitschaft, Kraft, Mut und Gedenken auf, um die auf diese Art und Weise ihnen gegenüber entstandenen Schulden zurückzuzahlen. Wir lesen lyrische Strophen über die Mutter Erde, die für alle Zuflucht ist, über die Sonne, die in der Morgenstunde die Gräber auf den Bergen bestrahlt, über die Geister der Krieger, die in ihre Heimat zurückkehren, über die Gottessterne, die sich mit Liebe die Schlachtfelder ansehen. Es erscheinen Elemente von den vier Jahreszeiten und andere, die der Ideologie von Blut und Boden und den germanischen Nibelungenmythen entstammen. Man wird auf eine reflexionsvolle und ernsthafte Stimmung aufmerksam gemacht, die auf dem Friedhof herrscht.


   Diese literarische Umgebung, von ihrem dichterischen Wert abgesehen, bereichert und erweitert im inhaltlichen und künstlerischen Bereich das Ganze der Arbeiten an dem Bau und der Dekoration der Kriegsfriedhöfe in Westgalizien, in denen sich differenzierte künstlerische Tätigkeiten konzentrierten. Im Rahmen der Kriegsgräberabteilung Krakau entstanden die Entwürfe für die wichtigsten Anlagen in Form von geschlossenen Wettbewerben (z. B. in Gorlice). Die einzelnen Konzepte wurden unter den Fachleuten diskutiert, manchmal auch bei großen Denkmälern in situ als Modell im Maßstab 1:1 vorgebaut (z. B. in Krakau Rakowice). Fertige Friedhöfe wurden analysiert und manchmal korrigiert (so war es z. B. in Staszkowka). Sie wurden von hervorragenden Maler gemalt, radiert und gezeichnet. Die in der Abteilung beschäftigten Fotografen machten künstlerische Fotos. Hans Hauptmann schrieb auch kritische Texte, die Grundlage für den erwähnten Bildband wurden.


   Es sieht so aus, daß man in den Kreisen der Kriegsgräberabteilung Krakau in einer bestimmten Proportion dem künstlerischen und architektonischen Milieu von Wien aus der Vorkriegszeit nacheiferte. Die Tätigkeit der Kriegsgräberabteilung Krakau wurde darüber hinaus weit und breit propagiert. Die Kriegsfriedhöfe wurden Orte für sorgfältig geleitete patriotisch-religiösen Feierlichkeiten, die durch spezifische Architektur, Natur, große Menschenmassen, Liturgie und das Militärzeremonial mitgestaltet wurden. Die Atmosphäre wurde durch religiöse oder Militärmusik, flammende Feuer, Uniformen und Geistlichentrachten ergänzt. All das läßt an das Gesamtkunstwerk von Richard Wagner denken.


   Es erschienen Sonderveröffentlichungen, Postkarten, Bücher, man organisierte Konzerte, Vorlesungen, Spenden und vor allem Wanderausstellungen, u. a. in Wien, Berlin, Krakau (im Kunstpavillion der Gesellschaft der Kunstfreunde und auf dem Wawel), Brunn, Olmütz, Bielitz... In den Ausstellungen wurden Bilder, Fotos, Zeichnungen, Grafiken mit den Kriegsfriedhöfen präsentiert, ihre Entwürfe, sowie auch Modellen der Skulpturen, Kreuzen, Denkmalern und der gesamten Anlagen. Es sollte zur Gewinnung weiterer Mittel für die Arbeiten beitragen, die im November 1918, während des Niederganges der Habsburger Monarchie, in Westgalizien fast fertiggestellt waren.


   Aus den Aussagen der Veranstalter der Bauaktion der Kriegsfriedhöfe geht es klar hervor, daß auf den anderen Gebieten, wo gekämpft wurde und wo Soldaten fielen, man nach der Beendigung des Krieges beabsichtigte, die während des Krieges angelegten Friedhöfe ähnlich zu verschönen. Dazu kam es aber nicht. Der Habsburger Staat, seine Armee und ihre Behörden, wie die Kriegsgräberabteilungen, hörten auf zu existieren.


   In dem wiedergeborenen Polen hatten die österreichischen Kriegsfriedhöfe keine gute Presse. Sie wurden als fremd angesehen, als Werke von "deutschem Geschmack und Geist", der polnischen Landschaft und der künstlerischen Tradition nicht entsprechend. Man empörte sich über die Entscheidungen bezüglich der Kunstfragen durch die österreichischungarische Armee sowie darüber, daß man auf die polnischen künstlerischen Kreise und die polnischen Handwerker bei der Durchführung der Kriegsgräberbaukunst so arbitral verzichtet hatte. Das Volk sollte ja durch Kunst und Handwerk wiedererneuert werden (C. K. Norwid). Es war also nicht nur eine wirtschaftliche Frage, wenn sie auch in dem durch den Krieg vernichteten und armen Galizien von Bedeutung war.


   Meinungen solcher Art, von den mit der Kunst und Kultur verbundenen Menschen geäußert, waren auch nicht unbegründet. Man muß aber feststellen, daß es nicht objektiv war, alles zu verneinen, was durch die Kriegsgräberabteilung Krakau gemacht worden war. Die in Eile formulierten Schlußfolgerungen waren durch eine politische Spannung zwischen Polen und Österreich in dem letzten Kriegsjahr belastet sowie durch die Tatsache, daß auf den Kriegsfriedhöfen Soldaten der Teilungsmächte, "heimatlose Helden" lagen. Das wiedergeborene Polen ließ Denkmäler für Legionäre, Beschützer von Lemberg, die schlesischen Aufständischen und Teilnehmer des polnisch-sowjetischen Krieges von 1920 bauen. Die gefallenen Krieger des Kaiserreiches erweckten vielleicht Mitleid, aber der Gedanke an sie konnte den Willen zum Bau von Friedhöfen-Denkmälern nicht stärken, diejenigen, die bereits gebaut worden waren, blieben ohne Betreuung und mußten allmahlich zerfallen.


   Für die heutigen Generationen sind die galizischen Kriegsfriedhöfe aus den Jahren 1914-1918 wertvolle europäische Kunstdenkmäler, eine Erinnerung an die vergangenen Jahre und Überbleibsel eines grausamen Krieges. In der Konfrontation mit den Erfahrungen der "Zeit der Verachtung" (1939 - 1945) sind sie auch die Manifestation einer Kultur, die durch ein ernstes Verhältnis dem Menschen gegenüber gekennzeichnet war, einer Kultur, die für die alte - mitteleuropäische und christliche - Monarchie während ihres Niederganges charakteristisch war.


   Doch die Bedeutung der gesamten Bauaktion und Dekoration der Kriegsfriedhöfe geht über die historischen und künstlerischen Fragen weit hinaus und berührt die Sphäre der Ethik. Sie spricht über die Haltungen der Menschen, die sie führten und akzeptierten: über Künstler und vor allem über die Schöpfer der ideellen Voraussetzungen und ihre Auftraggeber. Ihre Idee und Arbeit waren Ja ein konsequentes Ersetzen des Wahnes der Vernichtung durch das Schaffen und Bauen, des Chaos des Schlachtfeldes
durch die Harmonie der Kunst und Natur, des Lärms der Schlacht durch Strophen der Gedichte, des Hasses durch das Erbarmen, der Feindlichkeit durch die Versöhnung. Sie taten es, während sie jeglichen Triumphalismus und Einteilung der Gefallenen nach ihrer Rasse, Religion, Sprache, Nationalität oder Staatsangehörigkeit sowie die Einstellung vermieden, sie als eine namenlose Masse zu betrachten. So leisteten sie auch dem Wesen des Krieges selbst und all dem, was ihn im Herzen des Menschen erwecken kann. Widerstand. Es ist die wichtigste Botschaft, die die heute vergessenen Erbauer der Kriegsfriedhöfe in Westgalizien durch ihre Werke vermitteln. An einer nicht mehr vorhandenen Tafel Nr. 193 von dem Friedhof in Lubcza Szczepanowska im Bezirk Tarnow waren Worte geschlagen, die gut zu ihnen passen würden:

"Erloschen sind unsere Namen aber unsere Taten leuchten".